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Lippeauen­programm

Seit Anfang der 1990er Jahre wurden in dem sog. Lippeauenprogramm die fachlichen Grundlagen für eine naturnahe Entwicklung der Lippe erarbeitet. Hintergrund dabei war die Einsicht, dass in Nordrhein-Westfalen die Lippe der einzige große Fluss ist, der noch von der Quelle bis zur Mündung als Naturfluss entwickelt werden könnte. Auf der ca. 220 km langen Fließstrecke von Bad Lippspringe bis zur Mündung in den Rhein bei Wesel sind besonders in Städten zwar deutliche Entwicklungsrestriktionen gegeben. Anders als z. B. bei der ähnlich langen Ruhr scheinen wichtige Ziele, wie die vollständige Durchgängigkeit, aber erreichbar zu sein.

Aufgrund unterschiedlicher Zuständigkeiten wurden und werden von mehreren Vorhabenträgern bereits zahlreiche Maßnahmen umgesetzt. In der unten stehenden Übersicht werden die wichtigsten Projekte im Bereich der Oberen Lippe (bis Lippborg) dargestellt.

Zuständigkeiten an der Oberen Lippe

Von der Quelle bis zur Einmündung der Pader ist der Wasserverband Obere Lippe (WOL) zuständig, der mit der Renaturierung der Lippe im Bereich Tallehof zum einen eine faszinierende Flusslandschaft entwickeln und zum anderen den Hochwasserschutz für das unterhalb liegende Schloß Neuhaus verbessern konnte.

Ab Schloß Neuhaus bis zur Grenze des Kreises Paderborn westlich von Mantinghausen ist die Bezirksregierung Detmold verantwortlich für die Lippe als Gewässer 1. Ordnung. Die Errichtung der Lippeseeumflut wurde durch das Staatliche Umweltamt Lippstadt (heute Bezirksregierung Arnsberg)  umgesetzt. Die Renaturierung der Lippe unterhalb Sande ist das nächste in Umsetzung befindliche Projekt. Weitere Renaturierungsabschnitte sind geplant.

Nach unterhalb schließt sich bis Lippborg der Arbeitsbereich der Bezirksregierung Arnsberg an. Neben größeren Maßnahmen, wie die Renaturierungen in der Hellinghauser Mersch, der Klostermersch, der Westernmersch und Anepoth ist eine Vielzahl kleinerer Umgestaltungs- und Optmierungsmaßnahmen von der Arnsberger Bezirksregierung umgesetzt worden.

Historische Fluss­entwicklung

Eine wesentliche Grundlage des Lippeauenprogramms war zunächst die Analyse der historischen Entwicklung des Lippeflusses. Dazu wurden alle verfügbaren historischen Quellen und Kartendarstellungen ausgewertet. Sehr interessant ist, wie stark sich die Landschaft durch den Einfluss der Menschen verändert hat.

Zur Zeit des Heidebauerntums wurde die Lippeaue nördlich und südlich durch große Heideflächen mit eingestreuten Dünen eingerahmt. Diese Heideflächen waren über Jahrhunderte durch intensive Schaf- und Ziegenbeweidung sowie durch die Gewinnung von Plaggen (humoser Oberboden) als Stalleinstreu und Dünger entstanden.

In der Lippeaue selbst gab es einige kleinere Gehölzflächen und Dünen. Aufgrund der Bodenfruchtbarkeit durch Überschwemmungen waren in gößeren Flächenanteilen Grünland und Ackerflächen vorhanden. Die Ackerflächen gehörten vielen unterschiedlichen Eigentümern und waren sehr klein parzelliert. Das ist aus Gründen der Übersicht in der Abbildung nicht dargestellt.

Nur 120 Jahre später hat sich die Landschaft stark verändert. Zur Zeit des Grünlandbauerntums (ca. 1950) sind fast alle Heideflächen kultiviert oder aufgeforstet worden. Der Anteil von Grünland- und Ackerflächen hat zugenommen. Der Verlauf der Lippe ist begradigt und ausgebaut worden.

Ab ca. 1920 war Künstdünger billig und gut verfügbar geworden. Der Nutzungsdruck in der Landschaft hatte stark zugenommen. Auch bis dahin unrentable Flächen konnten durch die fortschreitende Mechanisierung der Landwirtschaft bewirtschaftet werden.

Im Verlauf der Jahrhunderte wurden Lippe und Flussaue durch die Menschen stark verändert. Während vor 1830 ein ausgeprägtes Mäandersystem (weite Flussschlingen) nachgewiesen werden konnte, war der Flusslauf um 1840 bereits stark verkürzt worden. Zahlreiche frühere Flussschlingen waren mit Durchstichen abgeschnitten und begradigt worden. Der Fluss wies aber in Abschnitten immer noch sehr abwechslungsreiche Profilgestaltungen auf.

Bis 1930 fanden einige weitere Laufverkürzungen statt. Die Profilform der Lippe wurde immer weiter vereinheitlicht.

Ab ca. 1950 begann die letzte Phase des technischen Ausbaus der Lippe. Ufer und Sohle wurden durch Steinschüttungen befestigt. Durchgehend wurde ein tief eingeschnittenes, leistungsfähiges Trapezprofil gestaltet. Fluss und  Aue wurden fast vollständig voneinander getrennt.

Welche Veränderung die Ausbaumaßnahmen für die Lippe bedeutet haben, wird beim Vergleich von Flussprofilen aus dem Bereich Anreppen/Bentfeld deutlich.

Während um 1825 die Lippe ein breites und flaches Profil mit wechselnden Uferneigungen aufwies, ist das Ausbauprofil schmaler und gleichförmiger.